Hauhaltsrede

Roland Koslowski
Mitte

Herr Bezirksvosteher,

Kolleginnen und Kollegen,

in der Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses am 30.11.2010 sind Haushaltssatzung 2011/2012 und Haushaltssicherungskonzept 2011/2012 ohne Empfehlung an den Rat geblieben. Das war zunächst einmal überraschend, macht aber auch mehr als deutlich, wo die gravierenden Defizite in diesem Haushalt liegen - nämlich in seiner Struktur- und Konzeptionslosigkeit, insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe.

Da wird Bildung vernachlässigt und schulpolitisch rumgestolpert, anders ist das auch ohne entsprechenden Schulentwicklungsplan gar nicht möglich. Finanzielle Mittel für die Inklusion – d.h. die Beschulung von Kindern mit Behinderungen in den Regelschulen – sind überhaupt nicht vorgesehen, weder im Stadtbezirk – Mitte noch im Gesamthaushalt. Und das, obwohl diese UN Konvention seit 2009 auch für die Bundesrepublik verbindlich ist; Die aktuelle Beschlusslage des Landtages vom 01.12.2010 ist dabei völlig nebensächlich. Diese Schulpolitik grenzt aus und orientiert sich an Vergangenem, ohne rechtsverbindliche Ansprüche von Kindern auch nur zur Kenntnis zu nehmen.

Die Reduzierungen bei der Unterhaltung und Renovierung der Spielflächen im Stadtbezirk treffen in erster Linie Familien mit Kindern, um deren Ansiedlung die Stadt seit Jahren buhlt. Ein Mehr an Kontraproduktivität ist kaum vorstellbar und das in einer Stadt, die laut ihrem Selbstverständnis familienfreundlich ist.

Der Stellenabbau in der Verwaltung und die weiterhin vorgesehenen viermonatigen Vakanzen sind inakzeptabel, und führen u.a. dazu, dass im Jugendzentrum Mitte die Leiterstelle zeitweise unbesetzt bleibt.

Im Bezirk Hamm – Mitte haben wir stadtweit den Höchststand an Maßnahmen der amb. Jugendhilfe, die teilstationären Hilfen sind in der Summe um mehr als 75 Prozent gestiegen, bei den Inobhutnahmen beträgt die Steigerungsrate von 2008 auf 2009 mehr als 13 Prozent. Eine entsprechende Differenzierung nach Stadtbezirken hat das zuständige Fachamt nicht vorgenommen. Der Haushaltsansatz für diese Bereiche ist vor dem Hintergrund der genannten Zahlen allerdings realitätsvermeidend.

Leistungen für Kultur und insbesondere Jugendarbeit sind notwendige Ausgaben, aber dieser Haushaltsentwurf macht Bildung zu einem Gut für Besserverdienende, Kultur zu einem elitären Erlebnis.

Die vorgesehenen Kürzungen im Bereich Stadtranderholung aber auch Altenerholung, Altenarbeit und -tagesstätten sind haushaltspolitisch lächerlich – wobei allein die Begrifflichkeiten mehr als antiquiert erscheinen.

Die geplante Senkung der Unterbringungskosten bei pflegebedürftigen Menschen ist illusionär, denn das Statistische Bundesamt prognostiziert vor dem Hintergrund des demografischen Wandels einen - Zitat: „dramatischen Anstieg der Fallzahlen“. Nicht Reduzierung, sondern Ausbau der zur Verfügung stehenden stationären Plätze muss das Ziel der Lokalpolitik sein.

Wenn Dr. Salomon im WA (16.11.2010) erklärt: „Wir setzen die richtigen wirtschaftlichen Schwerpunkte und vergessen bei aller Zukunftsgestaltung die Schwächeren in unserer Gesellschaft nicht – wir nehmen alle Menschen mit. Der Doppelhaushalt trägt deutlich eine christdemokratische Handschrift.“, dann muss die Frage erlaubt sein, wo findet in diesem Haushalt Zukunftsgestaltung statt? Dieser Haushalt ist nichts weiter als die Verwaltung des Mangels. Dr. Salomon hat allerdings Recht, die Ratsmehrheit – aber auch die politische Mehrheit in diesem Stadtbezirk - vergisst die Schwächeren nicht und nimmt alle Menschen mit: Allerdings mit unterschiedlicher Zielsetzung: Die Einen als Lastenträger und Zahlmeister, die wenigen Anderen als Empfänger dieser Umverteilung.

Dr. Salomon führt an gleicher Stelle aus, Bund und Land müssen sich ihrer finanzpolitischen Verantwortung stellen. Und das trifft nun ausnahmsweise mal zu. Es fehlt den Kommunen seit Jahren an einer angemessene finanziellen Ausstattung zur Erfüllung der ständig wachsenden Aufgaben, die strukturelle Unterfinanzierung kann lokal nicht beseitigt werden, nicht in den Kommunen und schon gar nicht in den Bezirken. Zukunftsgestaltung findet nicht statt.

Es ist auch ein Gebot der Stunde nicht zu kürzen oder zu optimieren; Die öffentliche Hand muss investieren und zwar insbesondere in den personellen Bereich. – in der Verwaltung darf keine Arbeitszeit verdichtet oder optimiert werden, zusätzliche Stellen sind dringend notwendig; auch und gerade im Bereich Kinder- und Jugendhilfe. Einsparungen und Stellenabbau – wie in den kommenden Haushalten vorgesehen - führen perspektivisch unweigerlich zu steigenden kommunalen Ausgaben.


Die Stadt Hamm und damit auch die Bezirke hat – wie viele andere Kommunen – kein Ausgaben, sondern ein Einnahmeproblem. Ohne entsprechende Hilfe insbesondere aus Berlin kann keine Abhilfe geschaffen werden – nur diese Hilfen müssen konsequent eingefordert werden.

Der hier vorliegende Haushalt und die darin enthaltenen Ansätze sind ein willkürlich zusammengestelltes und realitätsfernes Sammelsurium von Einzelmaßnahmen und ist weder mit der Realität in Einklang zu bringen, noch in irgendeiner Form sozial und bildungspolitisch ausgewogen und somit abzulehnen.

Abschließend noch zum geplanten Möbelmarkt Finke in Rhynern: Sollte der Möbelmarkt kommen – und daran besteht auf Grund der politischen Mehrheitsverhältnisse in dieser Stadt kein Zweifel - wird das zeitverzögert gravierende Auswirkungen für Rhynern und insbesondere für den Bezirk Mitte haben. Zu den bereits vorhandenen Leerständen werden weitere hinzukommen, in Hamm Mitte werden Arbeitsplätze vernichtet und Inhabergeführte Geschäfte geschlossen. Es kann nicht politischer Wille dieser Bezirksvertretung sein, den Stadtteil vorsätzlich zu schwächen. An dieser Einschätzung kann auch das im Auftrag der Stadt Hamm erstellte, tendenzielle und in Teilen dilettantische Gutachten nichts ändern.

Danke.